|
|
|||
|
||||
OverviewImmer wenn der Mensch anfangt, seine Zukunft zu planen, fallt im Hintergrund das Schicksal lachend vom Stuhl. Dieser Satz, der als Redensart in unseren taglichen Sprachgebrauch eingegangen ist und sich auf zahlreichen Postkarten findet, illustriert das Bewusstsein daruber, dass die Zukunft offen ist und sich nur begrenzt planen und beeinflussen lasst. Das Nachdenken uber diese menschliche Grunderfahrung ist von einer bemerkenswerten kulturellen und historischen Konstanz. Von den Texten Homers und der griechischen und romischen Philosophie und Literatur, uber die Kirchenvater und mittelalterlichen Dichter bis heute, wird in Texten und anderen Medien immer wieder reflektiert, welchen Einfluss Menschen auf ihre Zukunft haben und wie Schicksalsschlage oder Zufalle das Leben beeinflussen. Wie wir die Umstande bewerten, ob das Erlebte als Gluck oder Ungluck empfunden wird, hangt dabei stets von jeweiligen Perspektiven und Kontexten ab. In der Geschichte vom Trojanischen Krieg wird dem Schicksal traditionell eine wichtige Rolle beigemessen, aber auch die Figuren konnen das Geschehen durch ihre Entscheidungen aktiv beeinflussen. Der antike Mythos wirft damit die grundlegende Frage nach der Vereinbarkeit von Schicksalsfugung und menschlicher Handlungsmacht auf. Fest steht zwar immer, wie die Geschichte fur die Trojaner endet: Mit dem Tod ihrer Krieger und der Zerstorung der Stadt. Die Faktoren, die dazu fuhren, sind jedoch vielfaltig und werden besonders bei Konrad von Wurzburg farbenfroh und detailliert beschrieben und erwecken dadurch in der Erzahlung immer wieder den Eindruck, dass die Geschichte offen ist. Immer wieder kommt es vor, dass der Erzahler kommentiert, die Geschichte hatte einen anderen Verlauf genommen, wenn hier nicht das Schicksal eingegriffen hatte oder dort eine Entscheidung anders ausgefallen wareIndem auf diese Weise uber mogliche Zukunftsoptionen spekuliert wird oder vermeintliche Alternativen der Handlung geboten werden, lotet der Erzahler immer wieder die Grenzbereiche des stofflichen Telos aus. Zwei Darstellungsweisen tragen dabei im Trojanerkrieg besonders zur Vermittlung von Offenheit und Zukunftsungewissheit bei. Zum einen werden immer wieder langwierige Prozesse der Entscheidungsfindung verschiedener Figuren beschrieben, zum anderen Situationen, in denen Zufalle oder eine gottliche Macht das Geschehen bestimmen. Die Rezipierenden werden dadurch - so eine zentrale These dieser Arbeit - mit Zukunftsoffenheit und mit dem Unvorhergesehenen, der Kontingenz, konfrontiert und die Spannung zwischen Erwartung und Erfahrung bleibt selbst in einer Geschichte, in der sowohl der Plot als auch die Handlungen der Figuren als bekannt vorauszusetzen sind, erhalten. Dadurch wird an Erzahltraditionen festgehalten, wahrend zugleich Zukunftsungewissheit bzw. Kontingenz evoziert wird. Providenz erscheint also immer wieder im Lichte der Kontingenz. Einen wichtigen kulturgeschichtlichen Kontext bildet die mittelalterliche Vorstellung, dass alle Menschen einen freien Willen haben, wahrend gleichzeitig unbeeinflussbare Faktoren wie der gottliche Wille und der Zufall (haufig im Zusammenhang mit der Minne) das Geschehen lenken konnen. Das Erzahlen von Kontingenz dient dabei sowohl fur die Figuren als auch fur die Rezipierenden zur Reflexion uber verschiedene Moglichkeiten des Zukunftigen. Obgleich davon auszugehen ist, dass die Rezipierenden wissen, was am Ende eintreten wird, liefern die Passagen, die eine offene Zukunft postulieren, die notwendige Folie, vor der die Bedeutung des 'wirklichen'/historischen Geschehens reflektiert und erkannt werden kann. Zugleich ermoglichen sie den Rezipierenden, sich ihres eigenen Standpunkts in der Geschichte bewusst zu werden. Dabei kann je nach Standort der Betrachtenden ein Ereignis stets als kontingent oder notwendig erscheinen: Fur die Figuren der Erzahlung ist es kontingent, fur die Rezipierenden (und teilweise auch den Erzahler) erscheint es notwendig. Ebenso verhalt es sich mit der Einschatzung einer Situation. Wahrend die Figuren beispielsweise annehmen, dass sie Gluck haben, beurteilt der Erzahler, dass es sich eigentlich um Ungluck handelt oder umgekehrt. Nicht zuletzt dieser Perspektivenreichtum, den der 'Trojanerkrieg' zahlreich entfaltet und den das vorliegende Buch untersucht, zeugt von hohem literarischem Reflexionsniveau und ermoglicht den Rezipierenden, den Zusammenhang zwischen Moglichkeit und Notwendigkeit und die Erfahrungshaftigkeit von Geschichte zu uberdenken. Full Product DetailsAuthor: Isabella ManagoPublisher: Dr Ludwig Reichert Imprint: Dr Ludwig Reichert Weight: 8.069kg ISBN: 9783752000245ISBN 10: 3752000244 Publication Date: 26 October 2021 Audience: General/trade , General Format: Hardback Publisher's Status: Active Availability: In Print This item will be ordered in for you from one of our suppliers. Upon receipt, we will promptly dispatch it out to you. For in store availability, please contact us. Language: German Table of ContentsReviewsAuthor InformationTab Content 6Author Website:Countries AvailableAll regions |